LAUDATIO VON DR.JULIANE ALTON / 23.10.2015

Es ist mir eine Ehre und große Freude,

liebe Brigitte, geschätzte Künstlerinnen und Künstler, Damen und Herren,

heute eine Lobrede für Brigitte Walk zu halten.

Wir kennen sie als Schauspielerin, eine Regisseurin, eine Theaterpädagogin.

Auch als Produzentin und Veranstalterin, viele kennen sie auch als Lehrerin.

In Vorarlberg aber ist Brigitte Walk eine Erscheinung. Eine Erscheinung, die zuverlässig, unübersehbar und heftig wieder und wieder auftaucht. Von vielen wird das Auftauchen ersehnt, von manchen auch gefürchtet.

Warum viele gespannt und neugierig auf ihre nächste Produktion warten, ist leicht zu verstehen. Nicht umsonst erhält sie heute den Sonderpreis des Vorstands der Assitej, zu dem ich Brigitte Walk an dieser Stelle herzlich gratulieren möchte. Den Vorstand beglückwünsche ich zur gut überlegten Wahl.

Brigitte Walk als künstlerische Erscheinung ist immer spannend, ihre Vielfalt groß, die Themenwahl  einerseits erwartbar aktuell und andererseits überraschend in der Ausformung. Die Zugrichtung ist klar, die Zuspitzung oft schmerzhaft genau. Ihre Produktionen werden von einer immer noch wachsenden Fangemeinde besucht und diskutiert. Manchmal gelingt es dem Publikum auch, mit einem ihrer Theaterstücke davon zu schweben. So ist es mir mit ihrer aktuellen Produktion gegangen… Ein Musiker, ein Tänzer und eine Schauspielerin greifen Äußerungen der Sammlerin, Verlegerin und Schriftstellerin Gertrude Stein auf und bringen diese zusammen mit dem Publikum zum Schwingen…

Warum manche Brigitte Walk als Erscheinung fürchten ist auch nicht so schwer zu verstehen. Es ist dafür aber hilfreich, wenn Sie mich auf einen kurzen Tauchgang in die – durchaus schlammigen – Untiefen des Landes Vorarlberg begleiten. (Ich darf das als Umweltstadträtin sagen, Schlamm kann ja durchaus fruchtbar sein).

Vorarlberg war in früher Zeit ein Armenhaus. Die Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und der einzige Besuch des Kaisers Franz Josef vermochten daran zunächst nichts zu ändern. Auch in den 1930er Jahren und darüber hinaus war Vorarlberg ein Abwanderungsland, in dem dichter katholischer Mief den Blick vernebelte. Franz Michael Felders treffende Schilderungen vom Beginn des 19. Jahrhunderts blieben lange gültig. In den 1960-er Jahren – Brigitte Walk war da schon auf der Welt, in eine große Familie hineingeboren – in den 1960er Jahren äußerte der damalige Kulturamtsleiter Arnulf Benzer im Brustton der Überzeugung, die wahre Kultur sei die Religion. Kino, Theater und dergleichen seien nur das Gerede von der Kultur.

Dieses Land ist natürlich durch Zuwanderung und durch die Kulturarbeit vieler weltoffener geworden und hat sich in großen Schritten erstaunlich bewegt. In diesem Land in Bewegung ist Brigitte aufgewachsen.

Nach ihrer Ausbildung in Wien und Wanderjahren an deutschen, österreichischen und anderen Häusern und freien Gruppen ist sie nach Vorarlberg gekommen mit einem Engagement am Theater für Vorarlberg. Dass es in Vorarlberg nette, interessante und anziehende Leute gibt ist unbestritten, und so kam sie immer wieder zum Arbeiten ins Land, wurde schließlich Anfang der 1990er Jahre mit Familie da sesshaft.

Eine Künstlerin braucht – egal wo sie in der freien Szene lebt und arbeitet – viel künstlerische Energie und Zuversicht. Ist sie, so wie Brigitte Walk, Feministin, bekommt die Anstrengung eine weitere Dimension.

Eine, die stets den Finger in die Wunde legt, die immer kämpft und niemals schweigt, die immer Partei ergreift für Frauen, für Geflüchtete, für Lehrlinge und viele andere – eine solche Frau wird nicht nur respektiert, sie trifft auch auf Missbilligung und Ablehnung: Weil man ihr kaum widersprechen kann, denn die Fakten sprechen für sich.

Lesen Sie den Vorarlberger Kulturbericht, die Förderungen für Einzelpersonen sind nach Geschlecht aufgeschlüsselt. (Noch interessanter wäre eine genaue Betrachtung der Kultureinrichtungen).

Dabei hat Vorarlberg Brigitte Walk viel zu verdanken:

– Sie und einige wenige weitere Künstlerinnen haben zeitgenössischen Tanz in Vorarlberg eingeführt, den gab es einfach nicht. Sie hat Tanzstücke gemacht, sie hat eine nächste Generation von Tänzerinnen und Tänzern auf den Weg gebracht, sie hat ein Tanzpublikum aufgebaut.

– Sie hat am Vorarlberger Landestheater eine Kunstvermittlung und Theaterpädagogik begründet und lange geleitet. Dafür hat sie neben dieser Arbeit und ihren Produktionen eine Ausbildung absolviert (obwohl sie von Natur aus eine begnadete Pädagogin ist. Ich darf das sagen, denn wenn Sie heute verstehen, was ich zu sagen versuche, dann verdanken sie das auch ihr: sie hat mich in Sachen Atmung und Artikulation geschult).

– Sie hat als erste Theaterprojekte mit Lehrlingen in Vorarlberg gemacht. Etwas das immer noch bitter nötig aber schwer zu bewerkstelligen ist.

– Sie engagiert sich kulturpolitisch: sieben Jahre lang war sie Mitglied im Theaterbeirat des Landes Vorarlberg, sie war Bundeslandvertreterin der IG Freie Theaterarbeit, nicht zu vergessen am heutigen Tag: langjähriges Vorstandsmitglied der Assitej Austria und Jurorin für Stella. Alles neben ihrer freien Theaterarbeit.

– Sie hat schon vor vielen Jahren, 2008 wenn ich mich recht erinnere, in ihren Theaterproduktionen mit Flüchtlingen gearbeitet. So hat sie ein interkulturelles Lernfeld für alle Beteiligten geöffnet, das heute umso dringender bespielt werden muss…

Ich könnte noch eine Weile fortfahren mit der Aufzählung von Leistungen, doch möchte ich lieber noch meine persönliche Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer Person schildern:

– Brigitte Walk nimmt ihre Arbeit ernst und verlangt für sich selbst Respekt, das ist gut so. Kindern und Jugendlichen begegnet sie auf Augenhöhe, gleichzeitig fordernd und empathisch. Sie  konfrontiert die Jugendlichen mit Inhalten und Methoden, die diese aufs Äußerste fordern. Das ist den Produktionen auch anzumerken. Das ist etwas Besonderes, denn es entsteht Kunst, nicht einfach pädagogische Projekte.

Ich habe Brigitte Walk kennengelernt, als ich für die IG Freie Theaterarbeit tätig war. Sie hatte ein  leidiges Problem, das alle freien Theaterschaffenden kennen, für sich mit Phantasie und Sorgfalt gelöst: Das Problem beginnt mit „Gebiet“ und hört mit „kasse“ auf. Ich konnte das damals zur Nachahmung empfehlen.

Zuletzt haben wir über viele Jahre einen Büroraum in Feldkirch geteilt. Ich arbeitete für die IG Kultur Vorarlberg, sie nutzte unser Büro mit. Das war gut, wir haben nur leider von dieser Nähe zu wenig Gebrauch gemacht.

Aber: Es liegt ja eine Zukunft vor uns. Eine die uns fordern wird, denke ich. Brigitte hat die vor uns liegende Aufgabe ja schon formuliert. In Vorarlberg gibt es etliche Künstler im Theaterbereich, die beträchtliche Förderungen erhalten. Förderungen für Künstlerinnen in diesem Feld bewegen sich alle in Bereichen bei weniger als der Hälfte. Warum? Fragen Sie mich nicht. Aber diese gläserne Decke zu durchbrechen, das ist doch eine lohnende Aufgabe für die nahe Zukunft!

Vielen Dank.